Neu? Nein, mit … gewaschen! – Verstehen Sie alle Werbesprüche?

01. März 2016
Die Antwort auf die zweite Titelfrage ist – schenkt man einer aktuellen Studie Glauben – leicht: Wenige Menschen verstehen die aktuellen Werbesprüche. Gehören Sie dazu?

 

  • „… – Da weiß man, was man hat.“

  • „Aus Erfahrung Gut.“

  • „An meine Haut lasse ich nur Wasser und …“

  • „Brille: …“

  • „… So wertvoll wie ein kleines Steak.“

  • „… Ich bin doch nicht blöd.“

     

Haben Sie in diesen Werbesprüchen alle Marken bzw. Produkte erkannt? Wir rechnen fix damit, dass Sie nicht nur die Botschaft, die dahinter steht, verstanden haben, sondern auch sehr gut wissen, welchen Marken diese Claims zuzuordnen sind, die zum Teil aus der Vergangenheit stammen, zum Teil jedoch aktuell in der TV-, Radio- oder Printwerbung zu sehen und hören sind. Ihnen allen mag gemeinsam sein, dass sie vielleicht ein bisschen altbacken wirken und hölzern daherkommen, allerdings punkten sie bei Deutschsprachigen auch mit leichter Verständlichkeit. Und das ist der Punkt, der sie gegenüber trendigen, englischsprachigen Claims zu Gewinnern macht.

Claimstudie 2016

Die Claimstudie 2016 von der Agentur Endmark in Kooperation mit YouGov zeigt, wie Werbung an Kundinnen und Kunden vorbeigehen kann. Zahlreiche vor allem englische Werbesprüche werden nicht richtig übersetzt bzw. verstanden, was verheerende Folgen hat. Denn selbst wenn bei Unverständnis oder falscher Übersetzung ein positives Grundgefühl transportiert wird, verbinden die Angesprochenen die Aussage nicht mit der Marke oder dem Produkt. Also, liebe Werber/innen, bitte merken: Ein hochkreativer Auswurf ist noch lange keine geniale Werbung.

Nicht erst seit heimische Frisörgeschäfte die Sprachkreativität entdeckt haben (von „Hairgott“ bis „Kaiserschnitt“), blicken wir zuweilen verstört auf Wortspiele in deutscher, englischer oder französischer Sprache. Heute sorgen auch viele große Konzerne dafür, dass ihre Botschaft nicht nur nicht ankommt, sondern auch Verwirrung stiftet und – weil wir sie nicht mehr mit der Marke in Verbindung bringen (können) – ihr Ziel verfehlt.

Die Studie bringt ans Licht, dass fast zwei Drittel der befragten Deutschen die englischen Claims nicht korrekt verstehen. Und wer dabei glaubt, dass es sich eben um die ältere Generation handelt, die in der Schule kaum oder nicht Englischunterricht hatte, irrt sich, denn auch die Jungen haben so ihre Probleme mit den Übersetzungen. In der Gruppe der 18- bis 44-Jährigen wussten 39 Prozent der Befragten „überhaupt nicht, was der Claim aussagt“! Davon abgesehen ist für die werbenden Firmen noch viel tragischer, dass nur ein sehr geringer Teil die Claims ihren Referenzmarken zuordnen konnte. Spannend ist, dass verständliche Sprüche als langweilig empfunden werden (siehe unsere Beispiele weiter oben) und solche, die von den meisten nicht verstanden werden, als „interessanter“ eingestuft werden. Wie zum Beispiel der Claim des Paco-Rabanne-Parfums: „Eau My Gold“:

 

https://www.youtube.com/watch?v=f_lEuX7lSQA

 

Die Assoziation mit dem englischen Ausruf „Oh my God!“ liegt selbstverständlich auf der Hand, die Firma, die ihr Parfum als „Goldwasser“ verstanden haben will, erreicht hier aber bei den meisten nicht ihr Ziel. „Wasser mein Gold“ wird von den Befragten übersetzt und die Folge der Verwirrung ist, dass die grundsätzlich positive Botschaft weder mit dem Produkt noch mit der Marke abgespeichert wird.

Wie schmeckt ein Regenbogen?

Auch die Genäschigen unter uns werden farbenfroh von den Geschmackskompositionen abgelenkt: Der Spruch „Taste the Rainbow“ soll als „Schmecke den Regenbogen“ verstanden werden, aber nur bei 28 Prozent gelingt das wirklich. Die anderen versuchten es mit „Probiere den Regenbogen aus“ oder auch „Berühre den Regenbogen“. Ach ja, worum ging es eigentlich? Kaubonbons!

 

„Nice to sweet you“

Ähnlich ergeht es Lindt mit den neuen, hippen Schokoladen, die mit dem Claim „Nice to sweet you“ und einer modernen Aufmachung beworben werden. Auch dieser neue Spruch wird mehrheitlich nicht verstanden, bestenfalls als „Schön, dich süß zu sehen“ übersetzt. Wer zweifelt oder verwirrt ist: Sagen wollte man damit: „Schön, dich zu versüßen“. Wer nun meint, „süß bin ich selber“, hat sicherlich Recht. Vielleicht schmeckt die Schoko trotzdem, auch wenn man unter diesen Umständen den Claim nicht mit der Marke identifiziert.

„C’est la view“

Ein ebenso klarer Fall von Hyperkreativität ist der Werbespruch: „C’est la view“ für den Beetle Cabrio von Volkswagen. „Das ist der Ausblick“ wurde in dem Mix aus Französisch und Englisch, verwoben in einen französischen Sinnspruch („C’est la vie“ – So ist das Leben), nicht verstanden. Viele lasen statt „view“ ohnehin „vie“ und stolperten so über den Wortwitz. Ist vielleicht auch besser so?!

„Science For A Better Life“

Aber auch wenn man weniger mit kreativen Wortbildern und Sinnsprüchen spielt, kann das Englische ins Auge gehen und es wäre die deutsche Sprache möglicherweise die bessere Wahl. Nur 32 Prozent verstanden den Slogan der Firma Bayer „Science For A Better Life“ richtig. Statt „Wissenschaft für ein besseres Leben“ wurde etwa übersetzt mit „Chance auf ein besseres Leben“.

Bedenklich genug, dass ein Werbespruch nicht mit dem Produkt in Verbindung gebracht werden kann – auch bezüglich der Branche findet laut Claimstudie 2016 in 81 Prozent der Fälle keine korrekte Zuordnung statt. Was leiten Profis davon ab?
Holger Geißler, Vorstand bei YouGov: „Mangelnde Originalität durch den Einsatz von Fremdsprachen wettzumachen ist ebenso wenig erfolgsversprechend wie der Einsatz sprachlich verschachtelter Wortspiele“. Und Christine Stark, Geschäftsleiterin von Endmark, gibt zu Protokoll, ein Claim müsse wie die „Signatur der Firma“ sein. Man müsse die Handschrift der Firma sofort erkennen. Dafür müsse der Claim innerhalb der Markensprache, der Markenwelt, stattfinden. Eine sicherlich große Herausforderung für die Werbewelt.

Hals- und Beinbruch!

Was für uns „Sprachwerker“ unterm Strich als Lehre mitzunehmen ist? Was in trendiger Sprache serviert wird, muss noch lange nicht besser ankommen – egal, wie jung oder alt die Zielgruppe ist. Und: Auch Sprach-Akrobatik kann wehtun. Sie verursacht zwar keine Knochen-, dafür aber Kommunikationsbrüche. In diesem Sinne wünsche ich allen Sprachkünstlerinnen und -künstlern Hals- und Beinbruch! 

 

CLAUDIA RIEF-TAUCHER

 

Beitragsbild: skittles.com

Google+ Comments

Powered by Google+ Comments

 

Newsletter-Anmeldung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.