„Verkauft wird primär nicht durch Design, sondern durch Inhalt!“
WEBDESIGN – Teil 1: Fürs Webdesign werden alljährlich neue Trends ausgerufen, doch was verändert(e) das Gesicht des Internet nachhaltig und wie sieht die Zukunft aus? Wir sprachen mit zwei Fachmännern und starten unseren Interviewdoppler mit User Interface Designer CLAUDIO PRIBYL*, der seit fast zwei Jahrzehnten als Fachmann in der Branche tätig ist, über Spielwiesen, Responsive Design und den Blick über den großen Teich.
Früher – also noch vor 10, 15 Jahren – war für die Startseite einer Website eine zentrale Frage, ob die Navigation links vertikal oder oben horizontal angelegt wird – wie sieht das heute aus? Welche Strukturen erwarten uns heute und wie sind sie gewachsen?
Pribyl: „Heute haben wir es vermehrt mit sogenannten One-Pages aber auch weiterhin mit komplexen inhaltslastigen Websites zu tun. Meist findet man nach wie vor am Seitenanfang eine horizontale Menüstruktur, man springt aber damit immer öfter auf einer Seite weiter hinunter, wobei sich der Inhalt oft auf unterschiedlichen Ebenen verschieden schnell bewegt. Dabei entsteht für den Betrachter der Website eine Illusion der Dreidimensionalität. Diese One-Pages sind auch durch den vermehrten Einsatz von mobilen Endgeräten sehr populär geworden (wischen ist auf Smartphone oder Touchpad leichter als klicken! Anm.), das Smartphone hat ganz viel verändert. Der Anteil der mobilen Endnutzer liegt zum Teil bereits bei über 50 Prozent.
Das stellt alle vor neue Herausforderungen – was ist für Webdesigner/innen heute einfacher geworden?
Pribyl: Die Gestaltung mit unterschiedlichsten Schriften. Früher gab es nur wenige Standardschriften für die Verwendung im Internet. Seit ein paar Jahren gibt es hier unendlich viele, man kann mit unterschiedlichsten Schriftgrößen und verschiedenen Typografien arbeiten und zahlreiche Dienste stellen solche Services auch kostenlos bereit. Auch die Bandbreite ist kein Thema mehr, man kann auch große Bilder und Videos anbieten.
Wie verändert Mobile nun das Web?
Pribyl: Für User Interface Designer ist es komplizierter geworden. Man muss in vielen verschiedenen Kategorien denken und die Inhalte und Grafiken aufwendiger inszenieren. Nicht zu vergessen ist auch der Einfluss der Sozialen Medien. Nach dem Vorbild von Pinterest wurde das Card-Design populär, da es sich auch für die Darstellung auf Smartphone gut eignet. Immer häufiger werden auch User Interface Frameworks für die Entwicklung von Websites herangezogen. Durch diese Frameworks – Baukästen mit vordefinierten Elementen – sehen weltweit leider auch viele Seiten sehr ähnlich aus, die Eigenständigkeit ist etwas verloren gegangen. Wirklich eigenständige Lösungen sind meist etwas kostenintensiver und aufwendiger.
Welche Rolle spielen SEO und Usability beim Webdesign – wie eingeschränkt fühlt sich heute ein/e Webdesigner/in?
Pribyl: Früher wurde viel mit Grafiken für Textinformationen gearbeitet, die aber von Suchmaschinen nur bedingt erfassbar waren. Design, Technik und Inhalt sind die drei wichtigsten Faktoren – alle müssen an einem Strang ziehen und selbstverständlich ist Usability immer noch ein wichtiges Thema: Einfache Bedienung sollte eine Seite auszeichnen, sie muss für den Benutzer intuitiv sein.
Wichtige Basics nicht vergessen!
Das User Interface Design wird auch immer mehr zur Interaktion anregen (müssen) – ein gut aufbereiteter Inhalt ist nicht alles – Aufforderungen zur Interaktion werden noch stärker auf uns zukommen. Die sogenannten Call-to-Action-Elemente werden künftig noch präsenter sein, der Inhalt und die Gestaltung müssen den Blick primär dorthin führen. Jeder will Ergebnisse sehen, auf diese Weise kann gemessen werden, wie erfolgreich eine Seite ist. Von Benutzern generierter Inhalt bleibt außerdem wichtig, vor allem für den Content Marketing-Bereich.
Gilt Jakob Nielsen, der bereits in den 90er-Jahren über Web-Usability geschrieben hat, heute noch?
Pribyl: Ja, weniger ist nach wie vor mehr! Nielsen hat die Usability-Bibel geschrieben. Allerdings muss man heute auch beobachten, wie z. B. ein Zehnjähriger, der mit Smartphone aufgewachsen ist, mit Screens umgeht.
Sie betreuen den steirischen herbst 2015. Eine ideale Spielwiese für einen Webdesigner?
Pribyl: Auf die Realisierung dieses Projekts freuen wir uns sehr. Im Kulturbereich kann man sich oft weiter rauslehnen, das ist für Designer eine lustigere Spielwiese. Man muss die Seele eines Projekts rüberbringen – das kommt aber immer zum Tragen – die User sind im Kulturbereich vielleicht offener, aber auch kritischer. Usability muss immer ein Thema sein, man hat aber trotzdem mehr Freiheiten in der Inszenierung.
Gibt es Sites, die selbst Webdesignerinnen und -designern too much sind?
Pribyl: Visuelles ist momentan ein großer Trend. Große Bilder, Videos. Aber es kann genauso wieder zum Textinhalt zurückgehen, weil man übersättigt ist. Mir selbst fällt vor allem bei englischsprachigen Sites auf, dass oft zu wenig Information vorhanden ist. Wichtige Preisinformationen sind oft sehr versteckt, sodass es eine gegenteilige Wirkung entsteht. Die Seite ist dann visuell ansprechend, aber verkauft wird primär nicht durch Design, sondern durch Inhalt! Und der Inhalt muss leicht erfassbar sein.
„Inhalt ist mehr als das offensichtlich Lesbare“
Es ist ein Riesenthema, wie mit Inhalt umgegangen wird. Wenn ein Autohersteller zwar mit einem schönen Foto auf der Startseite daherkommt, die wichtigen Kaufinformationen aber nur über ein PDF herunterzuladen sind, dann ist das nicht benutzerfreundlich. Die Seiten werden momentan alle breiter – der textliche Inhalt wird, bedingt durch die größere Zeilenlänge, schwer erfassbar. Daher braucht es größere Abstände, größere, leichter lesbare Schriften, Titel, Zwischentitel, gut hervorgehobene Links etc. für eine leichtere Lesbarkeit. Diese Basics werden zum Teil vergessen.
Zurück zu Mobile – ist Responsive Design DIE Lösung?
Pribyl: Gleicher Inhalt auf diversen Endgeräten … das muss man sich gut überlegen, wie man damit umgeht. Eine mögliche Lösung ist die mehrstufige inhaltliche Inszenierung. Egal ob Text oder visuelle Info: Man muss mit Prioritäten arbeiten und überlegen, ob wirklich alles auch auf einem Smartphone angezeigt werden muss. Und: Welche Inhalte werden wo wie dargestellt? Mobile ist momentan noch immer zu wenig in den Köpfen von Designern (und Kunden) präsent. Weil: Auf allen Plattformen den gleichen Inhalt zu verbreiten, ist ein No-go. Es ist nicht sehr zielführend, wenn ein Unternehmen den gleichen Inhalt in allen Social Media-Kanälen streut.
Inhalt ist immer mehr als das offensichtlich Lesbare. Die Technik muss richtig umgesetzt werden, das Design muss stimmen und eine mögliche Verbreitung in sozialen Netzwerken erleichtert werden. Man sollte Inhalte auch immer für Social Media-Kanäle optimieren, dies ist besonders wichtig für ein erfolgreiches Content Marketing.
*CLAUDIO PRIBYL ist User Interface Designer und Geschäftsführender Gesellschafter der Grazer Agentur Datendrang.
Foto: Privat / ProStockStudio/Shutterstock
–> WEBDESIGN, Teil 2: Lesen Sie das Interview mit Mike Gattereder (Digitalwerk) ab Montag, 30. März in unserem Blog!
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