Storytelling und Gschichtldrucker – ein alter Hut!
Jeder kennt sie, die meisten hören gerne zu, und alle können sich an das erinnern, was sie zum Besten geben. Geschichtenerzähler erleben durch das „Storytelling“ heutzutage eine beachtliche und viel beachtete Renaissance.
Das ist vielleicht etwas irritierend, denn durch die Tatsache, dass sich die kernigen Gschichtldrucker um den Wahrheitsgehalt ihrer ausgefeilten Erzählungen seit jeher wenig Sorgen machten, geriet quasi eine ganze Branche in Verruf. Obwohl Zuhörer/innen und/oder Leser/innen wahrnehmen, dass sie trotz Einsatz ihres kritischen Verstandes jeder guten Geschichte auf den Leim gehen, können sie sich doch nie einer genialen Geschichte bewusst entziehen. Man kann sich darin verlieren, sich darüber ärgern, man kann sie lieben oder hassen, in jedem Fall aber wird unser Hirn sie aufsaugen wie ein ausgetrockneter Schwamm, weil es gar keine andere Möglichkeit hat.
Lassen wir deshalb einmal die moralische Frage der Wahrhaftigkeit nonchalant beiseite (denn nur ihr hat der Gschichtldrucker sein Negativ-Image zu verdanken), erinnern wir uns an die Schul-Definition „Eine Geschichte ist dann wahr, wenn sie wahr sein könnte“ und wenden wir uns dem Storyteller zu, der uns überall begegnet: als Nachbar/in, Lehrer/in, Filmregisseur/in, Journalist/in, Märchenonkel und -tante und selbstverständlich Medienfachfrau und -mann. Und bei näherer Betrachtung verwundert es nicht, dass Storytelling als Erzählmethode in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt wird: In der Psychotherapie genauso wie in der Schule oder als Kunstform. Im Film ebenso wie auf der Bühne, im klassischen Journalismus genauso wie auch im Coporate Publishing und Content Marketing. Storytelling ist uralt und hat unser Überleben gesichert. Wichtige Botschaften, Erfahrungen und essenzieller Wissensschatz wurden, in Geschichten gebettet, eindrücklich und nachvollziehbar an die nächsten Generationen weitergegeben.
Heute geschieht vor dem Computer nichts anderes als früher in der Höhle: Die Geschichte liefert mir eine Hauptperson, mit der ich mich identifizieren kann. Ein Konflikt, eine Hürde taucht auf, die gemeistert werden muss. Es gibt Protagonisten, die helfen, es gibt welche, die im Weg stehen. Gut-böse – Emotionen werden geweckt; vor allem bei der Lösung des Konflikts.
„Am wichtigsten sind Geschichten, die uns Antworten auf die drei Fragen ‚Wer bin ich?‘, ‚Wer ist der andere?‘, ‚Wo ist mein Platz in dieser Welt?‘ geben. Weil diese Urfragen für alle Menschen existenziell sind, werden sie auf allen Bühnen der Welt immer wieder gestellt.“
Das lässt uns Werner T. Fuchs in seinem Buch Warum das Gehirn Geschichten liebt*, wissen. Mit guten Storys sollten wir uns inmitten des Lebens bewegen. Die Story muss authentisch sein, bewegen. Und glauben Sie nur nicht, dass es besonders kompliziert ist, eine solche Geschichte zu finden.
Unser Tipp aus der Praxis dazu: Fragen Sie die Menschen selbst, hören Sie aufmerksam zu, und lassen Sie sich „ein Gschichtl drucken“. Sie werden keine einzige Story erfinden müssen und Ihre Leser/innen und User fesseln!
CLAUDIA RIEF-TAUCHER
Foto: Fritz Zühlke/pixelio.de
* Erkenntnisse der Neurowissenschaften zu zielgruppenorientiertem Marketing:
Werner T. Fuchs, Warum das Gehirn Geschichten liebt. Verlauf Haufe-Lexware