Storytelling für Mister Spock: Wie die Spaßpolizei Microsoft hip wurde

02. April 2019
Microsoft verbietet Aprilscherze – statt Spott hagelt es Lob. Wie das Unternehmen vom altem Nerd zum alten Nerd-Helden aufstieg.

Microsoft glänzt auch heuer wieder mit vornehmer Zurückhaltung, was Aprilscherze betrifft. Dieses Jahr wurde sogar ein Memo an die Belegschaft versandt, in dem Marketing Chief Chris Capossela jegliche Art von öffentlichen Albernheiten streng untersagt. Die Begründung könnte wohl kaum „microsoftiger“ sein: „data tells us these stunts have limited positive impact and can actually result in unwanted news cycles.“ Die Zahlen sagen also, die Scherze gingen oft nach hinten los.

Und er hat recht. Lockerer Charme und Coolness zählten nie wirklich zu den Stärken des Unternehmens. Müssen sie auch nicht, denn Microsoft setzt inzwischen wieder auf Seriosität und Vertrauenswürdigkeit. Endlich vorbei sind die Tage von gequälten Anbiederungsversuchen an eine „hippe“ Zielgruppe. Kein Schlagabtausch mit Google auf Kindergartenniveau mehr. Keine halblustigen Scherze, die wirken, als hätte sie ein Komitee auf Basis einer Exceltabelle mit veralteten Internet-Trends erstellt – und im Irrglauben, das Windows Phone würde irgendwen auch nur irgendwie interessieren.

Image-Kampf

Heute wirkt es ganz so, als würde sich Microsoft richtig hineinknien in sein leicht trockenes, bisweilen biederes Markenimage. Die Entscheidung, Aprilscherze zu verbieten wie auch der Wortlaut des Firmen-Memos selbst sind sachlich, vielleicht etwas spröde aber vor allem eines: rational. Das Wording erzeugt Assoziationen zu Bügelfalten, exakten Seitenscheiteln und richtig dicken Brillengläsern. Mister Spock meets Magistrat, sozusagen.

Mit seinem ernsten Image schien Microsoft lange zu hadern und ritt sich durch chronische Ironie-Resistenz immer weiter in einen Teufelskreis. Auf Spott folgte seitens Microsoft der Versuch einer cleveren Antwort, die sich aber als viel peinlicher herausstellte verglichen mit dem eigentlichen Auslöser. Ein gefundenes Fressen für die PR-Maschinerie der Konkurrenz. Zum Beispiel zog 2006 Erzrivale Apple mit seiner „ich bin ein Mac“-Kampagne Microsoft gehörig durch den Kakao.

Doch nicht so uncool? Der PC gespielt vom legendären Komiker John Hodgeman

 

Doch seit 2006 ist einiges passiert. In einer krisengebeutelten Welt voller Fake News scheint Justin Long als Apple plötzlich flapsiger, sarkastischer, weniger vertrauenerweckend. Ist das generelle Bedürfnis nach Sicherheit groß, scheint das, was früher als hölzern und vorgestrig abgestempelt wurde, plötzlich in einem anderen Licht. Microsoft ist nicht behäbig, sondern solide. Das Unternehmen ist nicht angestaubt, sondern langlebig. Die Ideen sind nicht immer die selben, das Design ist beständig. Wenn alle in Panik herumlaufen, ist Rationalität eine kostbare Seltenheit.

Fazit

Microsoft erzählt endlich die Geschichte von Microsoft – so wie es wirklich ist; nicht, wie es sein könnte, oder wie andere es sehen wollen. Microsoft ist ein Held aus dem selben Holz wie der eingangs erwähnte Mister Spock, wie Sherlock Holmes, wie Dana Scully und Adrian Monk. Ein Held, dessen Ziele klar sind, dessen Entscheidungen nicht von Emotionen getrübt sind und auf dessen Arbeit wir uns blind verlassen können. Bescheidenheit und Ernsthaftigkeit in der Arbeit sind seine Stärken. Und vor allem: Der rationale Held ist ein kongeniales Gegenstück zu seinem von Emotionen beherrschten Partner. Captain Kirk lässt sich von Spocks Logik leiten, Holmes lenkt Watsons Abenteuerlust in geregelte Bahnen und Microsoft bringt ein Stück Klarheit und Vorhersehbarkeit in unser Leben in Form ihrer Produkte. Diese Produkte erleichtern uns das Leben, sind vielleicht nicht besonders „flashy“, aber dafür umso zuverlässiger.

Microsoft erzählt seine Story von allen Unternehmen wohl am schnörkellosesten. Und es wirkt. Dezent altbackene Funktionalität war noch nie so hip.

 

Beitragsbild: Pixabay/werner22brigitte

 

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