Storytelling: freie Bahn für Botschaften

09. Dezember 2014

Das menschliche Gehirn ist immer offen für GeschichtenEs kann gar nicht anders, als für diese ursprünglichste aller Erzählformen empfänglich zu sein. Geschichten erregen die Aufmerksamkeit und starten das „Kopfkino“. Vorausgesetzt, sie werden anschaulich dargebracht.

Botschaften haben „freie Bahn“ ins Gehirn, wenn sie als Geschichten transportiert werden. Blitz und Donner, Tag und Nacht, Flut und Ebbe, Kain und Abel, Adam und Eva: Immer schon wurde den Menschen über „Geschichten“ vermittelt, was zu erklären nicht so einfach war. Heute, von Erkenntnissen der Neurowissenschaften beflügelt, kehren die Geschichten zurück. Führungskräfte, Werber/innen, Corporate Publisher, Trainer/innen, Coachs – viele erproben sich in der Kunst, Geschichten zu erzählen, um ihre Botschaften dort abliefern, wo sie wirken: direkt im Gehirn. Via „Storytelling“ werden (Marken-)Botschaften auf den Weg zu ihren Zielgruppen geschickt. Mehr als um „Erzählen“ geht es bei dieser Methode jedoch um „Zeigen“. Es geht um Vereinfachung auf das Wesentliche (oft auch das „sprechende Detail“), um Veranschaulichung, das gezielte Evozieren von „Kopfkino“.

Storytelling ist zeigen, nicht erzählen. Wenn jemand 95 (!) Thesen zum Thema Storytelling verfasst, wie es Tim A. Bohlen auf seiner Website tut, und die eben zitierte an die erste Stelle setzt, dann hat das etwas zu bedeuten. Dass Storytelling mehr mit Zeigen als mit Erzählen zu tun hat, ist ein kleiner, aber entscheidender Hinweis. Er besagt, dass noch nicht die (inhaltliche) Geschichte allein das „Zaubermittel“ ist, das die Aufmerksamkeit gewinnt; der Inhalt braucht eine Form, die ihn anschaulich, sinnlich und zu jener eingängigen Botschaft werden lässt, gegen die kein Intellekt ankommt. Das „Zeigen“ kann sich dabei ganz verschiedener Mittel bedienen: einer anschaulichen Sprache, andeutungsvoller Bilder, ungewohnter Perspektiven, radikal subjektiver Zugänge und literarischer und dramaturgischer Mittel. Ziel ist es immer, Gefühle auszulösen. Die Gefühle erst ebnen den Informationen den Weg.

Dramatisieren heißt nicht übertreiben. „Storytelling ist das Handwerk, das Verbindungen schafft“, schreiben Marie Lampert und Rolf Wespe in ihrem Buch „Storytelling für Journalisten“. Es ist eine Methode, mit der Journalisten (aber eben nicht nur diese) die Aufmerksamkeit des Publikums holen und halten. Mit „Dramatisieren“ ist in diesem  Zusammenhang nicht Übertreiben gemeint. „Es geht darum, bildhafte oder emotionale Momente in einem Thema aufzuspüren, spannende Zugänge zu entdecken und zu nutzen, um ein Thema interessant zu machen. Dramatisieren heißt auch Bögen spannen, die einen Text zusammenhalten und die Leserinnen und Leser bis ans Ende führen.“ Ihre Wurzeln hat die Methode in den USA, wo die „New Journalists“ sich in den 1960er Jahren vom „bleichen, beigen“ Berichtston verabschiedeten und den subjektiven und literarischen Stil erprobten.

Storytelling: ideal für Kundenmagazine, Mitarbeitermagazine sowie für crossmediale Projekte. Nehmen wir an, Sie haben ein Fitnessstudio, ein ganz hervorragendes selbstverständlich. Aber: die Mitbewerber sind auch nicht viel weniger hervorragend …  Statt (wie die anderen) nur zu werben, könnten Sie Geschichten, ja sogar Heldengeschichten erzählen. Unter den Mitgliedern (oder auch Trainern) finden sich bestimmt Menschen, die sich vom Couch-Potato zum Tourengeher entwickelt oder sagenhaft viel abgenommen haben. Geschichten begleiten diese Menschen durch Höhen und Tiefen und berühren sowohl emotional als sie es auch anschaulich machen, wie eine konkrete Lebensstiländerung aussehen kann. Die Werkzeuge des Storytelling sind vielfältig: „Alle subjektiven Formen wie Feature, Essay, Porträt und ihre Mischformen können mit Mitteln des Storytellings gestaltet werden“, schreibt Marie Lampert. Selbst Nachrichten und Berichte können Story-Elemente enthalten, sie werden dadurch verständlicher und anschaulicher. Die Themen, die „Geschichten“, welche nach dem Prinzip „pars pro toto“ für das ganze Unternehmen wirken, finden sich überall. „Jeder Verein, jede Sitzung birgt eigene ungewohnte, unbekannte, faszinierende Aspekte.“

Storytelling im Bild. Mut zum „Eigenen“ und „Weg mit Klischeebildern“ empfiehlt auch eine aktuelle Studie zum Tourismusmarketing, die von Marketagent.com und der Münchner Werbeagentur Hello durchgeführt wurde. Extrem blauer Himmel, unberührte Tiefschneehänge, ein künstlich lächelndes Skifahrerpärchen: Gerade der (Winter-)Tourismus aller Regionen setzt auf immer gleichen Inszenierungen, die fast völlig austauschbar sind. Mehr Eindruck hinterlassen würden Bilder, die eine Geschichte erzählen und beim Betrachter ein „Kopfkino“ in Gang setzen. 2500 Menschen zwischen 14 und 69 Jahren in Österreich und Deutschland wurden „klassische“ und Storytelling-Sujets für eine fiktive Tourismusregion vorgelegt. Dabei wurde registriert, wie gut die Bilder in Erinnerung blieben und  wie sie gefielen.  „Wer es schafft, etwas Eigenes zu erzählen und seiner Destination einen Charakter zu geben, hat deutlich bessere Chancen, wahrgenommen zu werden“, resümiert Andrea Bassermann von der Agentur Hello. Ältere und treu wiederkehrende Gäste bevorzugten allerdings die klassischen Sujets.

Bilder, die die Fantasie anregen. Ein Gefühl auszulösen (bzw. den Gemütszustand zu verändern), gelang auch dem oben gezeigten Bild. Es stammt aus dem  Fotoportal „Photocase“, das wir auf der Suche nach unverbrauchten Fotos für unsere verschiedenartigen Magazine immer wieder durchstöbern. Es wirbt mit dem Slogan „Stock photos for people who don’t want typical Stock Photos“ für sich uns steht nach eigenen Angaben für „inspirierende und alltagsnahe Fotografie, die sich von konventioneller Stockfotografie unterscheiden soll“. Die Fotos sind nicht zu glatt, nicht zu verbraucht, oftmals etwas gewagt und die meisten von ihnen erzählen eine kleine Geschichte. „Don’t tell, Show!“ heißt eine mittlerweile schon sehr alte Erzählregel …

Wie wichtig beim Geschichtenerzählen bzw. „Kopfkino“anregen die Sprache (Wortwahl, Tonalität, Kraft und Anschaulichkeit) ist sowie fünf gelungene Beispiele für Storytelling in Werbung und Tourismus finden Sie in einem der nächsten Beiträge.

Foto: Margareta Rogulski/photocase.com

ROSWITHA JAUK

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Ein Kommentar zu "Storytelling: freie Bahn für Botschaften&"

  1. Bin an dem Thema „Vergesslichkeit“ interressiert und suche hierzu Stoff für eine lebendige Story.

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