Welche Social Media Plattform für wen?

12. Januar 2015
Für Social Media sollten Struktur und Know-how im Unternehmen stimmen. Das kostet – weiß Dietmar Muchitsch, Gründer der Grazer Digital-Marketing-Agentur Cloudthinkn, der in seinem GASTBEITRAG eine Lanze für die Broadcaster bricht und der Frage nachgeht: Für welche Unternehmen kommen welche Social Media Plattformen in Frage?

Eine gute Frage – da sie bestimmt in vielen Unternehmen gestellt wird und es dazu unbedingt eine klare Antwort braucht. Doch leider habe ich hier gleich zu Beginn ein Problem: Ich denke nämlich, dass diese Frage den Fehler, den die meisten Unternehmen beim Thema Social Media machen, bereits in sich trägt.
Zur Klarheit deshalb noch einmal: Für welche Unternehmen kommen welche Social-Media-Plattformen in Frage?
Das ist im Grunde so, als würde ein relativ ungeübter Autofahrer nach der Rennstrecke in Österreich Fragen, auf der er am ehesten ein Rennen gewinnen wird. Da würden doch die meisten antworten, dass das wohl nicht von der Strecke abhängig ist, sondern von den Fähigkeiten und der Hingabe des Fahrers und seines Teams. Und so offensichtlich es in diesem Fall zu sein scheint, eine ähnlich gute Antwort wird auf die Frage nach den richtigen Social Media Plattformen in Unternehmen kaum gefunden. Und hier weiß ich schließlich, wovon ich rede. Ich spreche seit 6 Jahren mit und vor Vorständen, Geschäftsführern, Presseverantwortlichen und Werbern vor allem in Österreich über dieses Thema. Und unabhängig davon, ob es sich dabei um große Konzerne mit enormen Werbeetats oder Klein- und Mittelbetriebe mit geringem finanziellen Spielraum handelt – die Kommentare zum Thema Social Media ähneln und wiederholen sich:
„Wir haben jemanden in der Presse/Marketingstelle, der postet regelmäßig – da kommt aber kaum was zurück.“
„Unsere Zielgruppe ist eher nicht auf Social Media Plattformen zu finden.“
„Facebook-Werbung? Ja, haben wir probiert, funktioniert nicht!“
„Da ist eh niemand so richtig erfolgreich, also machen wir mit, erwarten uns aber nicht all zu viel.“
oder gar
„Das ist doch alles eine kurzweilige Erscheinung und wird bald wieder vergehen. Wir sparen uns deshalb den Aufwand.“
und so weiter und so fort …
Deshalb hier mal in aller Klarheit: Social Media Marketing, das wirklich erfolgreich sein will, besteht zu einem großen Teil aus ernst gemeinter Content- und Community-Arbeit und zum anderen einem immer wichtiger werdenden Anteil an Social Media Werbung. Beides funktioniert am besten langfristig gedacht, hand-in-hand und braucht sehr viel Zuwendung und Know-how. So unterschiedlich die Anforderungen bei täglicher Content-Arbeit und der Entwicklung von Social Media Werbekampagnen sein mögen, eines haben beide gemeinsam: Es braucht wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Können, um erfolgreich zu sein, als gemeinhin angenommen. Ein Umstand, den Unternehmen bei Themen wie PR, Pressearbeit oder Werbedesign längst angenommen haben, der aber für Social Media Marketing erst eingeführt werden muss.
Langfristig werden also jene Unternehmen gewinnen, die für Struktur und Know-how beim Thema Social Media im eigenen Unternehmen sorgen, oder, als zweite und durchaus gleichwertige Möglichkeit, sich ernsthaft einen Partner suchen, mit dem sie die Herausforderung der Kundenkommunikation online annehmen. Geld wird das in beiden Fällen kosten und zwar ordentlich. Aber das tun Räumlichkeiten auch und trotzdem treffen sich Vorstände nicht im Park.

Unternehmen sind 2015 auch Broadcaster oder bald tot

Es reicht für Unternehmen heute kaum noch, einzig ein gutes Produkt zu entwickeln und zu vertreiben. Sie müssen außerdem in der Lage sein, eine Geschichte zu diesem Produkt zu erzählen, die Welt rund um dieses Produkt täglich zu beschreiben und sich mit interessierten Menschen darüber angeregt zu unterhalten. Sie müssen also „Broadcaster“ in eigener Sache werden und die Inhalte täglich neu, interessant und angepasst an die sich rasch ändernden Anforderungen der jeweiligen Plattformen gestalten.
Ich denke, dass möglicherweise in Unternehmen eine gewisse Lean Management Prägung der letzten Jahrzehnte mitverantwortlich für die hartnäckige Verweigerung zum Umdenken bisher war. Für den Fall des Umbaus weg von der Einwegkommunikation und hin zum mutigen Kundendialog ist schließlich mit erheblichen Anstrengungen und Aufwendungen zu rechnen. Skurrilerweise werden aber gleichzeitig im Falle von Werbung von den meisten Unternehmen bereitwillig exorbitant hohe TKPs (Preis pro tausend Kontakte) an klassische Medien bezahlt, vorwiegend weil das schon immer so war und die betreuenden Agenturen auch einen Teufel tun werden, das zu ändern.

Social Media Werbung kostet Bruchteile und erreicht Menschen jederzeit und überall

Tatsächlich aber kann heute jedes Unternehmen (noch) um einen Bruchteil dieser Kosten gleich viele Menschen über soziale Netze erreichen, wie mithilfe klassischer Kampagnen, mit dem Unterschied, dass die Zielgruppe hierbei genau definiert, überall (also auch unterwegs) angesprochen und das Erreichen der Ziele der Kampagne exakt gemessen werden kann.
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Das alles soll natürlich nicht heißen, dass es nicht für bestimmte Länder oder bestimmte Zielgruppen bevorzugte Social Media Plattformen gibt. Doch laufen derartige Gedanken ins Leere, wenn oben erwähntes Umdenken noch nicht stattgefunden hat. Denn alle bekannten und unbekannten Plattformen sind gleich ungeeignet dazu, um ohne großen Aufwand irgendwelche Firmenbotschaften an möglichst viele Menschen auszuliefern. Das mag offensichtlich erscheinen, trotzdem macht ein Großteil der österreichischen Unternehmen jeden Tag nichts anderes. Und für alle anderen, deren Interesse schon geweckt ist, die Blut geleckt haben, und die interessiert lesen, dass Facebook z. B. User verliert, Instagram der neue Renner bei den Jungen oder gar Chatprogramme die neuen Social Media Plattformen 2015 werden, noch ein paar Worte dazu.

„Marketers ruin everything“ – Gary Vaynerchuk

Ich bin überzeugt davon, dass nur sehr wenige tatsächlich ihren Facebook Account in letzter Zeit gelöscht haben oder das in naher Zukunft tun werden. Der Großteil an gelöschten Accounts, von denen man liest, betrifft sogenannte Fakeaccounts, also Profile, denen keine echten Personen zugrunde liegen. Und dort ist das auch gut so.
Und auch junge Menschen interessieren sich weiterhin dafür, was sich in Ihrer Facebook Timeline tut und bleiben so zumindest weitläufig in Verbindung mit Familie, Freunden und geliktem Content. Was sie offenbar mittlerweile weniger tun, ist öffentlich zu posten. Dafür chatten sie lieber in Gruppen von Freunden und können so erstens sicher sein, nicht von Eltern oder anderen dabei beobachtet zu werden, und zweitens gestaltet sich der Austausch dort wesentlich lebendiger und mit mehr Interaktion als im Falle eines Facebook-Postings. Wenn schon öffentlich Posten, dann auf Instagram, denn da genießen viele (noch) die Werbefreiheit in Österreich. Schließlich können Unternehmen hier noch nicht mal auf externe Links verweisen – könnten sie das, würden sie auch hier, wie oben beschrieben, wieder versuchen, platte Botschaften an möglichst viele rauszuhauen. Dabei besteht gerade jetzt auf Instagram die Chance für Unternehmen mit jungem Zielpublikum, durch guten Content und gute Ideen viele an die eigene Marke zu binden.

Und um doch noch einen konkreten Tipp für alle B2C-Unternehmen mit junger Zielgruppe am Ende anzubringen: Es gibt bereits Beispiele dafür, dass ein WhatsApp-Button in der mobilen Version des eigenen Unternehmensblogs sehr gute Verteilungsergebnisse bringen kann – mehr sogar als mithilfe von Facebook oder Twitter.
Und für alle anderen – die Zielgruppe der Kaufkräftigen ist auch 2015 auf Facebook weiter im Vormarsch.

DIETMAR MUCHITSCH
ist Gründer der Digital-Marketing-Agentur Cloudthinkn in Graz.

Fotocollage: teresa_rothwangl.com / Rawpixel/Shutterstock

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