Influencer-Marketing – was der „neue“ Werbetrend wirklich bringt
Aus alt mach neu: warum Influencer-Marketing kein Allheilmittel ist und wie man damit trotzdem nachhaltige Erfolge erzielt.
Große Unternehmen nutzen schon lange die Reichweite und Bekanntheit von berühmten Personen, um ein Produkt zu präsentieren oder die eigene Marke zu stärken. Das Konzept ist nichts Neues. Seit Anbeginn der Werbung wurden Produkte gezielt in Content integriert. Die Seifenoper heißt Seifenoper, weil 1932 eigens eine Radiosendung konzipiert wurde, die Hausfrauen unterhalten und zum Kauf des präsentierten Produkts – Seife – anregen sollte.
Der Unterschied: Für die Inszenierung waren damals Werbe-Profis zuständig. Heute wird das den Influencern oft selbst überlassen, was Zeit und Geld spart, aber auch zu stark fluktuierender Qualität führen kann.
Influencer sind keine Art Directors
Wo früher Profis werkten, sind es heute junge, motivierte, aber oft sehr unerfahrene Privatpersonen, die die Marke in Szene setzen sollen. Das ist zwar sehr günstig, stellt sich aber häufig als ineffizient heraus, wie eine brandneue Studie zeigt.
Social Media-Marktforscher von BuzzValue haben 25 österreichische Instagram-Kampagnen aus dem Jahr 2018 analysiert. Die Ergebnisse sind für heimische Unternehmen ernüchternd: 64% der Kampagnen-Fotos zeigen die Marke nicht eindeutig, die Werbepostings erzielen durchschnittlich 10% weniger Interaktion als werbefreie Post und nur 2,7% der User gehen in Kommentaren inhaltlich auf die präsentierte Marke.
„Unsere Analyse zeigt, dass die Zielgruppe das beworbene Produkt meist gar nicht wahrnimmt. Der Influencer, nicht die Marke steht im Vordergrund. Ist das der Fall, nutzen den Unternehmen auch hohe Fan- & Interaktionszahlen nur relativ wenig“, warnt Markus Zimmer, Geschäftsführer von BuzzValue.
Wenn Influencer die Marken nicht richtig präsentieren, warum boomt der Markt so? Es geht ja nicht nur die Produktpräsentation, sondern darum, Marken mit den authentischen Werten der sympathischen Influencer aufzuladen.
Influencer – Authentizität zum Kaufen?
Es sieht schlecht aus mit der Glaubwürdigkeit klassischer Werbebotschaften – nur 14 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten vertrauen Werbung in klassischen Medien. Der Grund? Es mangelt den meisten Firmen an Authentizität. Was also tun, wenn die Marke bzw. das Unternehmen selbst nicht mehr glaubwürdig ist? Man lässt Dritte für sich sprechen und vertraut auf deren unverbrauchte Authentizität.
Influencer-Marketing liegt irgendwo zwischen Empfehlung eines Freundes und klassischer Werbung. Besonders im Zeitalter von Ad-Blockern, Shitstorms und Werbeblindheit vertrauen wir immer mehr auf die Meinung von Freunden – und natürlich Influencern. Im Vergleich zu Hollywood-Stars und Sportikonen sind Influencer nämlich weniger unnahbar und die Interaktion auf sozialen Medien stärkt das Gefühl einer persönlichen Bindung.
Influencer sind inzwischen eine etablierte Größe in der Welt der digitalen Werbung, sowohl für Werbetreibende wie auch für Nutzer/innen. Jeder zweite Social-Media-User hat vom Begriff „Influencer“ gehört und beinahe jeder fünfte folgt mindestens einem. Und, noch wichtiger: Laut dem deutschen Providerverband Bitkom hat fast jeder zehnte bereits auf Empfehlung eines Influencers einen Kauf getätigt. Und das alles, obwohl eine Mehrheit die Influencer als zu materialistisch und weltfern ansieht.
Wie günstig ist Influencer-Marketing wirklich?
Im letzten Jahr gaben Unternehmen geschätzt 2,2 Milliarden Euro aus, um auf Instagram Werbung zu machen. Dabei ist sind Ausgaben für andere Kanäle, auf denen Influencer präsent sind, wie YouTube oder Snapchat, noch gar nicht eingerechnet.
Wie langfristig diese Investitionen sind, ist nicht klar. Etwa jedes halbe Jahr befindet sich die digitale Welt in einem sogenannten Medienbruch. Haben Fachleuchte erst einmal den Dreh heraus, Werbung auf einer Plattform perfekt zu etablieren, ist diese meist schon wieder „out“ und wird von der nächsten App abgelöst.
Aber auch langlebige Plattformen wie Instagram oder YouTube stellen Werbetreibende vor das Problem, dass jede Community ihren eigenen Regeln folgt, ihre eigenen Kommunikationswege und eigenen Codes hat. Nur weil sich jemand mit dem Marketing auf Instagram auskennt, heißt das nicht, dass er von YouTube-Stars ein Ahnung hat.
Eigene Influencer für Unternehmen?
Warum ist Influencer-Marketing für viele dennoch so attraktiv? Weil es auf den ersten Blick extrem günstig erscheint. Werbung über Influencer ist noch immer relativ neu, aber die eingesetzten Geldmittel machen nur ein Bruchteil der Kosten für herkömmliche Werbeformen aus. Plötzlich lassen sich Inhalte produzieren, die in Reichweite und Qualität Werbespots und Plakate um nichts nachstehen.
Dabei werden aber keine teuren Regisseure, Texter oder Casting-Agenturen benötigt. Das machen die Influencer alles selbst; deren Honorar ist mit den üblichen Kosten verglichen gering und die Botschaft landet auch noch direkt bei der Zielgruppe. Nur bekommt man eben das, wofür man bezahlt. Teils mangelhafte Produktpräsentation – oder auch gar keine – gepaart mit wenig Engagement seitens der Zielgruppe.
Influencer-Marketing ist am Ende nichts anderes als ein weiterer Distributionskanal, dessen Reichweite verschwindet, sobald der Zahlungsfluss stoppt. Insofern handelt es sich dabei um das digitale Equivalent einer Plakatkampagne.
Wer nachhaltig mit Influencer-Marketing arbeiten will, kann sich ein Beispiel an OTTO nehmen. Der Hamburger Versandhändler bildet nämlich seit 2017 eigene Influencer im Unternehmen aus. 100 interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten firmeninterne Seminare zu Themen wie Social Media und Employer Branding belegen und erhielten Schulungen in Präsentationstechniken. Das Ziel: OTTO als attraktiven Arbeitgeber für dringend gesuchte Fachkräfte etablieren.
Der Trend der Corporate Influencer bietet klare Vorteile: Die Qualität des Output kann besser gesteuert werden und die Plattformen strategisch gewählt werden. Auch wenn die Kosten vielleicht höher sind als bei reinem Influencer-Marketing, haben die damit geschaffenen Inhalte eine längere Wirkungsdauer und größere Nachhaltigkeit.
Beitragsbild: Pixabay/geraltGoogle+ Comments
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