„Done is better than perfect!“
… legt Joel Kaczmarek, Herausgeber des Online-Magazins Gründerszene.de, all jenen ans Herz, die Content als Marketingtool für sich entdeckt, mit dessen Umsetzung sie allerdings noch gewisse Schwierigkeiten haben. Warum Jungunternehmer/innen aber in jedem Fall darauf setzen sollten und weshalb regionale Unterschiede in der Präsentation durchaus ihre Berechtigung haben, erklärt er im Interview.
Was fällt Ihnen spontan zum Thema „Content“ ein?
Es gibt ja den bekannten Ausspruch „Content is King“ und ich glaube auch stark daran, dass guter Content die Grundlage jeder guten Medienarbeit bilden sollte. Natürlich gibt es auch die bekannte 80/20-Regel, nach der sich 80 Prozent eines Produkts in 20 Prozent der Zeit erzeugen lassen und dass die restlichen 20 Prozent dann die verbleibende Zeit erfordern. Aber nach meiner Erfahrung sind die oberen, qualitativen Prozente eine wertvolle Komponente, wenn es um Content geht. Sie bilden den Qualitätskern einer Marke und damit lässt sich vielleicht auch der zweite Teil der Frage beantworten: Auf (hochwertigen) Content sollte gesetzt werden, wenn es um die Positionierung als starke Marke geht.
In Ihrem Buch über die Samwer-Brüder ist von Content nur vereinzelt die Rede – beispielsweise im Rahmen der Kritik am Jamba-Abo-Modell, wobei zum Inhalt hier vom Klingelton bis zum Spiel alles gezählt wird. Kam bzw. kommt Storytelling im Samwer’schen Wortschatz überhaupt vor?
Nicht wirklich, vermute ich. Das Samwer-System fußt auf einer stark zahlenbasierten Logik und dem Ziel, möglichst schnell möglichst viel zu wachsen. Content ist dort eher ein Mittel zum Zweck, das auf dem Radar eines Oliver Samwer aber wohl keine große Rolle spielt.
Sie sind Herausgeber der Gründerszene.de, waren davor Chefredakteur des Online-Magazins, welches aus einem Blog hervorgegangen ist. Welchen Zugang hatten Sie damals zum Texten im Internet? Welchen Zugang vertritt Gründerszene.de heute?
Als ich bei Gründerszene anfing, war es etwas mehr als ein Hobbyprojekt. Das heißt, es gab eine ausgeprägte Passion für das Thema Unternehmertum, aber eigentlich nur wenige Strukturen und Prozesse. Das Portal zeichnete sich durch eine gewisse Pragmatik aus, zum Beispiel wurden Videointerviews einfach mal beim Essen mit der Handykamera gefilmt und dann online gestellt. Wir sind dann dazu übergegangen, die Prozesse zu professionalisieren und dem Ganzen einen seriöseren Aufbau zu geben. Die Passion blieb erhalten, die Umsetzung wurde aber sukzessive aufgewertet – zum Beispiel über eine Kamera, dann ein Stativ und schließlich ein schnurloses Miko :-)) Heute würde ich sagen, dass Gründerszene stark auf Masse setzt, was ich nicht immer erstrebenswert finde. Zumindest bietet sich so nicht immer die Möglichkeit für hohe Qualität und Tiefe.
Zu den Start-ups: Jedes noch so kleine Unternehmen braucht heute einen Online-Auftritt. Welchen Stellenwert kommt Content(-Management) im Rahmen einer Neugründung zu?
Viele Start-ups sehen es wohl als notwendiges Übel. Immerhin fehlt es an allen Ecken und Enden an Zeit und Geld. Ich halte Content aber für ein wichtiges Element der Markenbildung und der eigenen Identität. Es ist Ausdruck der Stimmung und Mentalität, die in einem Unternehmen vorherrschen und damit eine Visitenkarte an unterschiedlichen Fronten. Viele sehen Content aber wohl vor allem als wichtiges Werkzeug in Sachen SEO. Es täte glaube ich oft gut, wenn Start-ups sich mehr über ihre eigene Identität, Strategie und Positionierung Gedanken machen. Das ist ein wichtiger Aspekt, der sich leicht übersehen lässt.
Welche Relevanz haben nun SEO-konforme Texte konkret? Dürfen sie zu Lasten der Lesbarkeit gehen?
Ich würde sagen eine hohe Relevanz. Und von der Grundsache her zielen SEO-Maßnahmen ja darauf ab, einem Bot die Identifikation eines Inhalts zu erleichtern – wenn es ordentlich gemacht ist, kann das auch aus Nutzersicht nicht allzu schlecht sein. Die Antwort lautet also, dass die Dosis das Gift macht. Bei Gründerszene haben wir unter meiner Ägide einfach versucht, alle Inhalte gut zu strukturieren und entsprechend auch Links, Bilder und Überschriften optimiert. Vieles, was man für den Suchmaschinenbot vornimmt, wie etwa eine saubere Verlinkungsstruktur, hilft am Ende eigentlich auch dem Nutzer.
Und wie viel darf, kann, muss ein Start-up in Content investieren? Schließlich bedarf ein inhaltlich kompakter Webauftritt Professionalität und Zeit, denn der Erfolg stellt sich bekanntlich nicht von Heute auf Morgen ein. Möglicherweise haben Jungunternehmer/innen finanziell dafür keinen so langen Atem. Was tun?
Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich würde kontinuierlich auf Content setzen, aber die Frequenz zu Beginn vielleicht niedrig halten. Dann gibt es sicher Mittel und Wege, wie Content erzeugt werden kann, der wenig aufwändig ist, aber trotzdem Wirkung erzielt – man denke an die oben erwähnte 80/20-Regel und das Beispiel der Handykamera-Videos.
Grundsätzlich gilt „Done is better than perfect“. Und dann lässt sich sicher noch schauen, ob nicht über Dritte, etwa anhand von Fachbeiträgen, Content gewonnen werden kann.
Ein Content-Tool ist der Unternehmens-Blog: Sollte man im Rahmen des Web-Marketing unbedingt auf ihn setzen?
Ein Unternehmens-Blog stiftet Identität und ist damit für die Markenbildung essenziell. Daneben bietet er Einstiegspunkte zum Produkt, schafft Interaktionsmomente zur Kundin bzw. dem Kunden und spielt auch aus Sicht der Suchmaschinenoptimierung eine wichtige Rolle.
Glauben Sie, dass durch die direkte Kommunikation mit Usern auch sprachlich eine länderspezifische Ausdrucksweise Relevanz hat?
Ja, ich denke schon. Es gibt einfach sprachliche und kulturelle Eigenheiten, die sich sofort bemerkbar machen. Man denke einfach an eine Webseite, die in Asien entstanden ist und lediglich mittels Google Translate übersetzt wurde. Ich denke, jeder von uns kann sich vorstellen, wie so etwas aussieht. Alibabas Seiten sind da ein frappierendes Beispiel. Für dessen Größe sind die regionalen Anpassungen der Inhalte wirklich gruselig. Ein anderes Beispiel liefert die Internationalisierung von Zalando: Meines Wissens hatte man dort am Anfang einige Probleme mit dem französischen Markt, weil dieser deutlich bildgetriebener ist als der deutsche. Und während die Deutschen vor allem über Google-Anzeigen auf eine Seite kommen, sind in Frankreich Newsletter bevorzugt.
Wie beurteilen Sie die Situation im DACH-Raum allgemein? Gibt es hier Unterschiede hinsichtlich der Wertigkeit des Themas Content oder lassen sich eher Unterschiede zu z. B. den USA festmachen?
Ich würde sagen, der deutschsprachige Raum ist recht heterogen, aber im Vergleich zu den USA oder England bestehen schon merkliche Unterschiede. Beispielsweise hatte ich bei Gründerszene immer den Eindruck, dass viele Kommentare von Neid und Kritik geprägt sind, während man im englischsprachigen Raum Unternehmertum eher zelebriert und das Positive, die Chancen sieht. Das hat auch viel mit Kultur zu tun, in Deutschland ist der Unternehmer nicht hoch angesehen, in den USA ist er der Inbegriff des amerikanischen Traums.
Lesen Sie selbst eigentlich gerne (Unternehmens-)Blogs? Wie wichtig sind deren Inhalte für Ihren täglichen Job?
Nicht wirklich, weil viele einfach zu schlecht gemacht sind. Aus News-Sicht waren Blogs für uns manchmal relevant, aber inspiriert oder Anregungen vermittelt haben sie eigentlich nicht.
Wie viel Persönlichkeit darf ein/e Blogger/in in seine/ihre Texte einbringen?
Ich denke, das hängt sehr vom Kontext ab. Grundsätzlich sind Blogger keine Journalisten und der Reiz ihrer Arbeit liegt ja gerade darin, dass sie Inhalte mit einer persönlichen Note vermitteln. Trotzdem sollte es nicht in reine Selbstdarstellung abdriften.
ANDREA KREUZER
Fotos: fotolia.com/engelmann, Joel Kaczmarek
Joel Kaczmarek ist seit Mai 2013 Herausgeber von Gründerszene, einem Onlinemagazin, das er als Chefredakteur mitaufgebaut hat und aus dem auch der Vertical Media Verlag hervorgegangen ist. Mit Die Paten des Internets hat Kacmarek die erste Biographie zu den Samwer Brüdern verfasst. Derzeit widmet er sich als Mitgründer des Portals Sessionbird dem Online-Collaboration-Bereich, d. h. um praktikable Lösungen für Online-Meetings.
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