Geschichten, die zum Spenden anregen: Wie der Eisverkäufer Fidenzio Sanchez in den Ruhestand gehen konnte
In Chicago hat ein Restaurantbesitzer in kürzester Zeit mehrere hunderttausend Dollar gesammelt, um einem alten Eisverkäufer den Ruhestand zu ermöglichen. Dieses Beispiel zeigt, dass Storytelling auch im Fundraising immer wichtiger wird.
Langsamen Schrittes und mit gebücktem Gang schiebt ein alter Mann seinen Eiswagen durch die Straßen von Chicago. Der Eisverkäufer Fidenzio Sanchez ist mit 89 Jahren auf seine mühevolle Arbeit angewiesen, um seine schwer kranke Frau zu ernähren. Ein Restaurantbesitzer namens Joel Cervantes hat Mitleid mit dem alten Mann. Er macht ein Foto und stellt es auf Facebook. Wenig später startet Cervantes eine Spendenkampagne auf der Website Gofundme.com – mit einem bescheidenen Ziel von 3.000 Dollar. Doch die Kampagne wird viral und erreicht mehr als 384.000 Dollar.
https://www.facebook.com/joel.c.macias/posts/1437931316234044
Die Geschichte um den alten Mann, der nun endlich seinen wohlverdienten Ruhestand antreten kann, geht weltweit durch die Medien. Es sind Geschichten wie diese, die uns Menschen berühren. Geschichten, die uns zum Spenden bewegen. Dank einer berührenden Geschichte und einem passenden Bild auf Facebook konnte ein einfacher Gastronom innerhalb von kurzer Zeit eine beachtliche Spendensumme erzielen.
Was können professionelle Fundraiser davon lernen? Sicherlich, dass es auch im Spendenwesen immer wichtiger wird, gute Geschichten zu erzählen – also Storytelling zu betreiben, wie es auf Neudeutsch heißt. Wie viele andere Branchen verschiebt sich auch das Fundraising immer mehr in Richtung Internet. Dort etablieren sich momentan unkonventionelle Wege des Spendensammelns, die vor allem Junge ansprechen, die wissen wollen, was mit ihrem Geld geschieht. Dabei geht es aber weniger um nüchterne Fakten und Statistiken, sondern vielmehr um Geschichten. Wenn man bei der Wahrheit bleiben will (alles andere wäre fatal!), kann man natürlich nicht jeden Tag eine Geschichte wie jene über den 89-jährigen Eisverkäufer aus dem Ärmel schütteln. Und auch virale Kampagnen lassen sich bekanntlich kaum planen. Dennoch ist es für Hilfsorganisationen und NGOs ratsam, ihre Arbeit in eine gute Geschichte zu packen.
Emotionen sind Benzin
Schauen wir uns an, warum die Geschichte über Fidenzio Sanchez so gut funktioniert hat. Das liegt vor allem darin, dass uns diese Geschichte emotional berührt. Vergleicht man eine Geschichte mit einem Auto, sind Emotionen das Benzin, heißt es in einem Leitfaden zum Thema Storytelling für NGOs der US-amerikanischen Fundraising-Plattform Network for Good: „In erster Linie ist es Ihr Job (als Fundraiser, Anm.), den emotionalen Kern Ihrer Mission zu finden und an jene Leuten zu vermitteln, die Sie erreichen möchten.“
Weiters sind Protagonist oder Protagonistin, Verlangen und Konflikt die Passagiere im Story-Auto, die eine Geschichte lebendig machen. Die Story sollten wir also möglichst auf einen einzelnen Charakter herunterbrechen und ein Verlangen schaffen, dessen Situation zum Guten zu verändern. Schließlich wollen wir von den Hindernissen und Hürden erzählen, mit denen der Hauptcharakter zu kämpfen hat.
Aber zurück zu Sanchez. Soziale Medien sind die Rahmenbedingungen, die die Verbreitung der Story ermöglicht haben. Nicht zu übersehen ist dabei, dass es sich Joel Cervantes in seinem Facebook-Posting auf wenige Aspekte konzentriert hat: Der Fokus liegt auf einem vielsagenden Bild, das von einem kurzen Kommentar begleitet wird: „Wenn Sie Ihre Geschichten in kleine Häppchen aufteilen – genau richtig für Soziale Medien – hilft das Ihren Lesern schnell darauf zu reagieren, egal wo sie sich gerade befinden“, heißt dazu vom Network for Good.
Wichtig sind auch gute Bilder: Diese lösen Emotionen aus und helfen bei der Verbreitung über soziale Netzwerke – zwei Fliegen auf einem Streich also. Und das Ende der Geschichte? Das sollte im Fundraising nicht unbedingt gut sein: „Wenn Sie bereits ein Happy-End haben, warum sollten Ihre Spender dann helfen?“
Hat eine wahre Geschichte aber bereits ein glückliches Ende gefunden, könne man damit zeigen, wie die Spenden etwas zum Guten verändert haben und damit zum Weiterspenden anregen.
RAFFAEL REITHOFER, BA, Raffael Reithofer hat an der FH Joanneum Graz das Bachelorstudium „Journalismus und PR“ absolviert, ist Mitglied der checkit.jugendredaktion und neben seinem Masterstudium als freier Journalist tätig.
Foto: Tom Ensing Beitragsbild: sasint/Pixabay
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