Interview mit Monika Matschnig: „Lügen ist Schwerstarbeit“ – Teil 1
Monika Matschnig ist Diplom-Psychologin und als solche Körpersprache-Expertin. Im VIA-Interview klärt sie auf, mit welchen Tricks man Lügner entlarvt.
Die Beschäftigung mit Körpersprache ist längst in der Gesellschaft „angekommen“ – was hat sich seit Samy Molcho, dem Experten für nonverbale Kommunikation erster Stunde, getan?
Samy Molcho ist mein großer Meister – von ihm habe ich unendlich viel gelernt. Nichtsdestotrotz war er in den Anfängen. Mittlerweile ist es ein größerer Studienzweig geworden. Nehmen wir die Mikroausdrücke, kleinste Bewegungen im Gesicht. Heute kann man aufgrund von neurologischen Befunden und moderner Technik viele andere Dinge wahrnehmen. Also das Studium der Körpersprache hat sich intensiviert, aber auch differenziert: Es gibt eine universelle Körpersprache, aber auch innerhalb der Kulturen gibt es Verhaltensweisen, die sich voneinander unterscheiden.
„Empathische Menschen nehmen Lügen eher wahr. Empathie kann man trainieren.“ – Monika Matschnig
Sie fordern in Ihrem Buch auf: „Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl – so, wie Sie es als Kind getan haben.“ Sind Kinder die besseren Experten für Körpersprache?
Sie nehmen ein bisschen mehr wahr, weil sie nicht diesen anerzogenen Blick haben. Es gibt Untersuchungen, dass Kinder tatsächlich besser erkennen, wer lügt, und sogar bei Politikern sehen, wer die Wahl gewinnen wird. Wir vertrauen später mehr dem Inhalt und müssen es lernen, die Intuition zuzulassen. Der sechste Sinn ist nichts anderes als das, was wir unbewusst im körperlichen Verhalten wahrgenommen haben. Wir können das Auge aber so schulen, nicht nur der Intuition zu vertrauen.
In den USA hat man versucht, durch in Körpersprache geschultes Flughafenpersonal verdächtige Personen zu identifizieren. Der Versuch scheiterte. Werden das Computerprogramme (eher) schaffen?
Ja! Die künstliche Intelligenz ist in der Lage, sofort zu erkennen, ob jemand eine verdächtige Person ist, weil sie schnell im Rechnen ist. Menschen sind nicht in der Lage, Mikroausdrücke wahrzunehmen, das spielt sich alles in Millisekunden ab, und das ist in nur einem Kurs nicht lernbar. Der Mensch kann lernen, ganzheitlich zu sehen – das bleibt trotzdem mit einer Fehlerquote behaftet.
Die Nachahme-Übung im Buch zielt auf Empathie: Durchschauen empathische Menschen Lügner leichter?
Ja! Bei empathischen Menschen ist der Fokus auf das Gegenüber gerichtet. Man muss lernen zuzuhören und zuzusehen. Deshalb bin ich überzeugt, dass diese Menschen das eher wahrnehmen. Aus diesem Grund sollte man Empathie trainieren! Einige haben das Gespür, andere müssen das erst lernen.
Tun sich Kinder auch hierbei leichter?
Das ist abhängig von Temperament und Charakter – manche Kinder weinen, wenn ein anderes Kind geschlagen wird, andere nicht. Es hängt aber auch von der Erziehung ab und vom Vorbild der Eltern – wie ist beispielsweise der Umgang mit anderen Menschen in der Familie.
Sie behaupten im Buch, Lügen sei kognitive Schwerstarbeit – dennoch lügen wir sehr oft und das jeden Tag, um uns leichter durch den gesellschaftlichen Dschungel zu manövrieren. Ist das nicht ein Widerspruch?
Man muss unterscheiden: Bei einer prosozialen Lüge – also einer „positiven Lüge“ (man schmeichelt z. B. damit dem anderen, Anm.) – fällt uns das relativ leicht. Kompliziert wird das, wenn es eine Lüge ist, um sich selbst zu schützen. Dann wird das eine kognitive Höchstleistung. Aber auch, wenn wir bei der Oma zum fetten Schweinsbraten eingeladen sind und mir schmeckt der nicht, aber ich muss mehrfach sagen, wie gut er ist. Wenn wir dauerhaft dieses Spiel vortäuschen, wird das anstrengend.
Sie erläutern auch die Sprechweise von Lügnern bzw. den Aufbau von Lügengeschichten. Womit tun wir uns von Natur aus leichter: mit der Analyse der Körpersprache oder der Sprechweise?
Das ist abhängig vom Charakter eines Menschen. Auch, worauf man geschult oder trainiert ist. Entscheidend ist, dass wir beides im Blick behalten. Weil wenn ich ein brillanter Redner bin, kann ich gut eine Lüge vortäuschen, habe aber weniger die Körpersprache unter Kontrolle. Ich brauche Worte und die Körpersprache, um einen Vergleich zu sehen. Es gibt ein Experiment von Dr. Fox, der untersuchte, ob es gelingt, Wissenschaftler hinters Licht zu führen: Ein Schauspieler hat inhaltlichen Nonsens vorgetragen, das aber auf souveräne Art und Weise. Er schaffte es tatsächlich, die Wissenschaftler zu täuschen. Man muss beides abgleichen: Sprache und Körpersprache. Das Problem beim Lügen: Nehmen wir die klass. Situation: Ich glaube, mein Partner hat mich betrogen. In dieser Situation bin ich hochgradig emotional und deshalb bin ich gar nicht in der Lage zu beurteilen. Zuerst muss ich mich selbst beruhigen. Nur dann habe ich volle Aufmerksamkeit auf Sprache und Körpersprache.
#010 Körpersprache wirkt immer – Das Podcast-Interview mit Monika Matschnig
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Zur Person
MONIKA MATSCHNIG ist Diplompsychologin, Bestsellerautorin, mehrfach ausgezeichnete Keynote-Speakerin und ehemalige Leistungssportlerin. Seit mehr als 15 Jahren vermittelt sie ihr Know-how an Führungskräfte, Politiker und Privatpersonen. Die Expertin für Körpersprache und Wirkungskompetenz ist ausgebildete Erwachsenentrainerin und überzeugt nicht nur durch ihr fundiertes Fachwissen, sondern auch mit ihrer Eloquenz und nimmt ihr Publikum durch innovative Didaktik mit in ihr Lieblingsthema Körpersprache. Matschnigs Auftritte sind unterhaltsam und motivierend gleichermaßen.
CLAUDIA TAUCHER
Beitragsbild: Astrid Obert